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Berlinale 2002 im DV-Fieber

Letztes Jahr ging es in unserem Rückblick vor allem darum, wer weshalb auf DV gedreht hatte, und wie sich die Arbeitsweisen dadurch gestalteten - also um die Sicht der Filmer auf das Medium. Aber weil es wie bekannt zu erheblichen Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis kommen kann, konzentrieren wir uns diesmal auf die Filme selbst, beziehungsweise auf digitales Video, wie es die Zuschauer (des Internationalen Forums) erleben durften. Man kann im Umgang mit DV durchaus exemplarische Tendenzen erkennen. Und wir nehmen kein Blatt vor den Mund. Um das Fazit vorwegzunehmen: DV ist in der Filmwelt endgültig angekommen, aber nicht immer gut.

// 20:33 Mo, 25. Feb 2002von

Von ca. 70 Filmen im Programm des Internationalen Forums waren dieses Jahr mindestens 16 auf DV gedreht, und einer sogar auf VHS. Das ist fast ein Viertel, und in den anderen Berlinale-Sektionen sah es ähnlich aus (die Retrospektive natürlich ausgenommen). Im Wettbewerb waren z.B. von 4 deutschen Filmen 3 auf DV („Der Felsen“ bekennenderweise, aber auch „Halbe Treppe“ und „Baader“), und der Goldene-Bär-Gewinner „Bloody Sunday“ ebenso. Daß auch die „99 Euro“-Kurzfilme digital sind, überrascht erst recht nicht.



Es wäre naiv, sich hier wie letztes Jahr mit der Frage zu beschäftigen, warum alle Welt plötzlich auf DV dreht: es hat hauptsächlich finanzielle Gründe. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Der zweite Grund ist wie gehabt die geringe Größe der Kameras und ihre Handlichkeit. Einige Filme, vor allem dokumentarische, entstanden im Alleingang (zumindest was das Forumprogramm betrifft), und in solchen Fällen bietet sich DV wie man weiß besonders an: man kommt mit wenig Equipment aus und kann (zumindest rein organisatorisch gesehen) eigentlich alles selbst machen.


Im übrigen haben die meisten DV-Filme gemeinsam, daß die Drehverhältnisse sehr hoch sind - teils weil die Filmer viel Zeit mit ihren Protagonisten verbringen, teils weil man bei DV die Kamera einfach laufen lassen kann, ohne sich zu finanziell zu ruinieren. Ziemlich vielen Filmen lag zu Drehbeginn lediglich eine Idee vor (kein klares Drehbuch oder Konzept), und in solchen Fällen weiß man eben nie, „was als nächstes passieren wird“.



All dies läßt sich den E-Mailinterviews mit den Filmern entnehmen (ähnlich wie letztes Jahr), und es klingt sehr begrüßenswert – in der Theorie. Doch leider sieht man diese (Entstehungs-)Umstände auch vielen Filmen an, und dann ist leider Schluß mit lustig.





Der Vorteil ein Nachteil?

Im Laufe des Festivals haben wir uns all die Filme, die wir auf netLoungeDV aufgeführt haben, auch angesehen: hochmotiviert und voller Erwartung zu Anfang, aber nach und nach wurden wir immer entmutigter. Es gab einen Punkt, an dem sich gar massive Zweifel bezüglich der Qualität und Möglichkeiten von DV aufdrängten. Sollte all das, was am Format so gelobt wird, am Ende nur von scheinbarem Vorteil sein? Und das uns! Will was heißen.



Ich nehme es gerne hin, wenn die Bildqualität nicht besonders ist, solange der Inhalt mich fesselt oder meinen Horizont erweitert. Ich verzichte auf Handlung, Spannungsbogen und Charakterdarstellung, wenn die Bildsprache faszinierend, aufregend oder auch meditativ ist.


Sicher, die Grenze zwischen dem Experimentellen und dem schlicht Schlechten kann fließend sein, oder meinetwegen in der Wahrnehmung des Betrachters gezogen werden - in diesen Fällen spricht man dann von eigenwilligen Filmen.


Aber: Davon gab es unter den auf DV gedrehten wenige dies Jahr; wirklich experimentelle Filme gab es auch kaum. Vor allem gab es ziemlich viele nicht besonders gute, aber passable Filme. Einige waren dagegen sehr gut (dazu unter mehr). Und schließlich liefen noch ein paar, da wünschte man sich, es verginge einem Hören und Sehen.



Diese Bilanz ist nicht DV-spezifisch. Es gibt immer qualitative Unterschiede zwischen Filmen, und es gibt verdammt schlechte, teure 35mm-Produktionen. Aber gewisse Fallen und Problemzonen sind eben vor allem bei der Arbeit mit digitalem Video gegeben, und sie sind zum Teil eine Folge ausgerechnet davon, daß DV billig ist und beweglich.


Da gibt es zum Beispiel die nicht zu leugnende schlechte Bildqualität, die ganz besonders auf großen Leinwänden auffällt: daß man die Bildzeilen sieht, ist dabei noch ein relativ geringes Übel. Schlimmer ist es mit der Farb- und Kontrastdarstellung. Dennoch ist es durchaus im Bereich des Möglichen, annehmbahre Bilder zu produzieren, solange man der Verführung widersteht, die von DV ausgeht.


Nur weil die kleinen Dinger in egal welchem Licht aufzeichnen, ist es nicht verboten, sich um Ausleuchtung zu kümmern, oder zumindest Orte und Ausschnitte zu wählen, die das Kontrastproblem nicht noch hervorheben. Daß es einen Automatikbetrieb gibt, heißt nicht, man kann sich auf diese Einstellungen verlassen. Daß die Camcorder nichts wiegen, heißt nicht, man müsse ständig beim Gehen aus der Hand filmen. Man darf auch mal ein Stativ benützen und auf die Bildkomposition achten. Mag sein, daß eine wacklige Kameraführung auf einem Computerbildschirm noch erträglich ist, projiziert man die Bilder auf eine Leinwand, wird den Zuschauern schlecht. Und vor allem: nur weil man alles aufnehmen kann, was man sieht, heißt das noch lange nicht, man braucht kein Konzept. Tape mag geduldig sein, die Betrachter sind es nicht.







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